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Zehn Kurzgeschichten aus Vietnam

Posted by on 23. März 2012

Wie ihr auf unserer Reiseroute sehen könnt waren wir vom 7. bis 23. März in Vietnam, sind in den zweieinhalb Wochen vom Süden in den Norden gereist. Hier sind zehn unserer Begegnungen, Erlebnisse und Erfahrungen in Kurzgeschichten.

1
Die Boote haben Augen im Mekongdelta. Und Boote sind immernoch das meistgenutzte Fortbewegungsmittel der lokalen Bauern, Händler und natürlich Fischer in der von zahllosen Wasserläufen durchzogenen Region. Als der hölzerne Kahn, der uns von Kambodscha herübergefahren hat, auf den Sand am Flussufer von Chaudoc aufläuft, hört man bereits das Stimmengewirr eines der größten Märkte der Grenzregion und schnappt den Geruch seiner Fisch- und Fleischauslagen auf.

Nachdem wir unser Gepäck in einem kleinen Hotel abgelegt haben, schlendern wir lange durch die engen Gänge der Markthalle, staunen über die leicht veralteten Plastikprodukte und die russisch anmutenden Designs der Textilien. Bei einer alten Frau vor der Halle essen wir unsere erste echte ‚phó‘ (fö), die wohl berühmteste vietnamesische Nudelsuppe. Die Fischstände vor der Halle verkaufen hauptsächlich Pangasius – den Gründlerfisch, der in Käfigen im schwermetallbelasteten Mekong gezüchtet wird und als Filet in die ganze Welt exportiert wird. Vorbei an den von Fliegen umschwärmten Fleischstücken unterschiedlichster Tiere finden wir unseren Appetit bei einem Bäckereistand, der abgepackte Riesenkekse mit fruchtiger Füllung verkauft. Der erste Bissen bleibt Julia dann doch fast im Hals stecken als sich die Füllung als Durian herausstellt; ein südvietnamesischer Markt der uns in vieler Hinsicht bekannt vorkommt.

2
Neben den zahllosen lautstarken und semisuspekten Touristenfängern sind die Bia Hoi Verkäufer in Saigon ehrlich, arbeitsam und bescheiden. Sie verkaufen das wahrscheinlich günstigste Bier der Welt (20 Cent pro Glas) und versorgen so Saigoner und Touristen gleichermaßen mit der Abendunterhaltung in der Stadt. Bia Hoi ist ein frisches Bier mit relativ wenig Alkohol, das nur vom Fass verkauft wird. Die Bia Hoi Kneipen haben meist keine Ladenfläche sondern sind eigentlich eine Ansammlung chinesischer Plastikstühle, die ganz im Stil der von den ehemaligen Kolonialherren geliebten Pariser Straßencafés alle zur Mitte der Straße hin ausgerichtet sind. Ganz im kommunistischen Sinne haben die Bia Hoi Verkäufer nicht schnellen Reichtum sondern die bezahlbare Versorgung der arbeitenden (und nichtarbeitenden) Bevölkerung im Sinn. Welch großartiges Erbe.

3
Ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein muss man den vietnamesischen Propagandisten ja zugestehen, ist Vietnam doch eines der wenigen Länder, das – mit wessen Hilfe auch immer – einen Konflikt gegen die militärische Übermacht der USA für sich entschieden hat. Teile der Ausstellung im ‚War Remnants Museum‘ in Ho Chi Minh City, wie die kommunistischen Nordvietnamesen die südvietnamesische Hauptstadt umgetauft haben, sind dennoch grotesk und strotzen geradezu vor Unverschämtheiten gegenüber der unterlegenen Landsmänner aus dem Süden. Ein Museum aus der Zeit des kalten Krieges, das die unbezwingbaren, cleveren und ehrenwerten Viet Cong portraitiert in ihrem Kampf gegen den vom brutal-rücksichtslosen, agressiven kapitalistischen Klassenfeind angezettelten Dauerkrieg. Die Geschichte wird eben von den Siegern geschrieben.

4
Tuong der vietnamesische Führer unserer Tagestour zu den Viet Cong Tunneln in Cu Chi hat selbst als Übersetzer für das Amerikanische Militär gearbeitet. Noch bevor wir durch ein für Touristen aufgearbeitetes Stück des Tunnelsystems zwängen dürfen erzählt er von seinen Jahren in diversen kommunistischen ‚Umerziehungslagern‘ die er nach dem Erfolg des Norden über sich ergehen lassen musste. Trotz direkten Einblicken in die Grauen des Krieges und jahrzehntelangem Leid in den Einrichtungen des kommunistischen Systems ist seine Mission nun offenbar den Besuchern der Tunnel aus aller Welt Frieden und Fröhlichkeit beizubringen. Zumindest auf unsere Busladung von Menschen hat Tuong einen großen Eindruck hinterlassen.

5
Die knatternden Motorroller ohne Gangschaltung sind das Hauptmerkmal des Individualverkehrs in Südostasien. Oder wie Robert Templer in seinem Buch Shadows and Wind schreibt: die größte Alltagssorge im heutigen Vietnam ist wie man den neuen Honda Dream finanzieren kann. Wie haben uns abseits der Touristenhochburgen in Phan Rang einen älteren Honda Dream ausgeliehen und damit die Gegend erkundet. Ein staubiger Weg nahe des Hafens führte uns zum total verdreckten Strand voll von den typisch runden Korbbooten. Eine Sackgasse, die sich als sehr unterhaltsam herausstellte, als in einem dewr angrenzenden Häuser ein halbes Dutzend Vietnamesen eine kleine Party auf der Eingangstreppe feierten und uns mit allerlei Gestik und Geschrei dazu einluden. Es gab Bierdosen ohne Ende, frische, selbstgefangene Meeresfrüchte und gegrilltes Hähnchen. Leider blieb uns der Anlass des Besäufnisses trotz mehrstündiger Komunikationsanstrengungen verborgen, da keiner ein Wort Englisch konnte und unser Vietnamesisch nun wirklich nichts taugt. Naja, man muss die Feste eben feiern wie sie fallen.

6
Einen kulinarischen Schock erlebten wir in Nha Trang. Wir hatten schon davon gelesen, dass Schlange in Vietnam als Delikatesse gilt, und mit rituellem Prozedere am Tisch getötet wird. Schon die Beschreibung des Vorgangs klang gruselig, aber dann hatten wir doch tatsächlich das zweifelhafte Vergnügen, uns das ganze aus der Nähe anzusehen. Ein Tisch voll neureicher Russen, die den Grossteil der Touristenscharen im Strandort Nha Trang stellen, bestellte neben uns im Restaurant schwarze Kobra. Die Schlange wurde lebendig zum Tisch gebracht, dann mit einer Schere aufgeschlitzt und das schlagende Herz den Gästen kredenzt. Während die Schlange sich noch immer wand, ließ man ihr Blut und die Galle in ein Glas Vodka tropfen, mit dem dann der Chef der Russen das schlagende Herz hinterspülte. Die Schlange wurde dann mit in die Küche genommen und kurze Zeit später gebraten serviert. Guten Appetit. Uns schlug das ganze schon nur vom Zuschauen auf den Magen.

7
Im Hinterland von Zentralvietnam wohnen mehrere Volksstämme, die der kommunistischen Führung in Hanoi sehr suspekt sind. Im Krieg wurden sie verdächtigt mit den Amerikanern zu kooperieren. Die Bahnar, Jarai, Sirang und Rongao wohnen in kleinen entlegenen Dörfern und bauen seit Generationen so genannte Rongs – Gemeinschaftshäuser in der Mitte des Dorfes, deren Höhe und Verzierung den Reichtum umd Einfluss des jeweiligen Dorfes symbolisiert. Die Franzosen haben während der Kolonialzeit diese, damals animistischen Glauben vertretenden Volksgruppen besonders erfolgreich missioniert, weshalb die meisten von ihnen nun christlich sind – ein Grund mehr für Hanoi ihnen zu misstrauen. Inzwischen dürfen die meisten von ihnen wieder mehr oder weniger offen ihrer Religion nachgehen und wir konnten im Umkreis des abgelegenen Bergstädtchens Kontum einige Rongs besuchen. In vielen anderen Gegenden kann man die Dörfer der ethnischen Minderheiten nicht ohne komplizierte und teure Sondergenehmigungen und schon gar nicht auf eigene Faust besuchen – Kontrolle wird in manchen Teilen Vietnams noch immer groß geschrieben.

8
Das letzte Hemd – ein Hochzeitsgeschenk von einigen der Berliner Freunden wurde in den letzten 10 Monaten so intensiv getragen und von Rucksackträgern aufgerieben, dass es bereits in Laos seinem Ende nahe war. Die laotischen Schneider konnten das weiss-gelb gemusterte Hemd gerade so eben noch mit lilanem Seidenstoff flicken, doch schon bald waren neue Löcher absehbar. Die sehr atmosphärische wenn auch hochtouristisierte Altstadt von Hoi An ist glücklicherweise voll von besser ausgebildeten Schneidern. Bei einem von ihnen haben wir daher ein neues Hemd aus ähnlichem Stoff maßschneidern und Streifen des Original-Hemds in Kragen und Knopfleiste einnähen lassen. Maßgeschneidertes Textilrecycling sozusagen. Ein paar Maßanzüge und Kleider für das ‚Leben danach‘ sind auch noch abgefallen und in einem Paket auf dem Weg nach Deutschland.

9
Halong Bay, die Bucht mit den beeindruckenden Kalksteinfelsen, ist eines der Haupttouristenziele in Vietnam. Schwierig, hier alleine etwas unternehmen. Also buchten wir gutgläubig eine der 2-Tage/1-Nacht-Bootsfahrten von Hanoi aus, wo wir am ersten Tag morgens mit einem kleinen Bus abgeholt wurden. Nur eine halbe Stunde von Hanoi entfernt drehte der Bus jedoch um und wartete auf dem Seitenstreifen der Schnellstraße – obwohl der Bus so voll war, dass einige der Leute im Gang saßen, hatte der junge Tourguide vier Leute in der Stadt vergessen!

Ähnlich gut organisiert ging die Tour weiter mit Verspätungen, Butterfahrt-mäßigen Stops bei Souvenirläden und zu wenigen Bussen für die Rückfahrt nach Hanoi. Aber nicht einmal die Tatsache, dass wir von den versprochenen zwei Tagen am Schluss nur rund 20 Stunden auf dem Boot in der Bucht waren konnte die beeindruckenden Ansichten der im Nebel auftauchenden senkrechten Kalksteinfelsen schmälern.

10
Verglichen mit Kambodscha wo das Gros der Besucher hauptsächlich jahrhundertealte Ruinen einer vergangenen Hochkultur besucht, kommt in Vietnam die ältere Geschichte im Touristenprogramm fast nicht vor. Eine Ausnahme ist wohl der ‚Temple of Literature‚ in Hanoi, eines der wenigen Überbleibsel aus der Zeit vor Flächenbombardierungen und Umerziehungslagern. Die im Jahr 1070 als konfuzianischer Tempel gegründete Einrichtung ist heutzutage einer der wenigen Ruhepole im Lärm und Chaos der vietnamesischen Hauptstadt. Wenige Jahre nach der Gründung des Tempels wurde hier die erste vietnamesische Universität eingerichtet, an der für über 700 Jahre die politische, religiöse und bürokratische Elite des Landes ausgebildet wurde. Nur wenige der Studenten schafften die schwierigen Abschlussprüfungen, wer allerdings erfolgreich war, dessen Name wurde in Steinstelen gemeisselt, die heute noch inmitten des Tempels stehen.

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