Um 5 Uhr morgens weckte uns die Provodnitsa – in einer Stunde würde der Zug in Ulanbaatar ankommen. Die Landschaft, die draussen vor dem Zugfenster vorbeizog, hatte sich über Nacht von steppenähnlicher Taiga zu einer Märchenlandschaft verwandelt. Sanfte Hügel, die mit Gras überzogen waren das aussah wie ein riesiger ausgerollter Teppich. Ins Morgenlicht getaucht sah die Landschaft aus wie das Auenland aus ‚Herr der Ringe‘. Ab und zu Herden von Schafen oder Pferden, und hin und wieder eine runde Hütte mit spitzem Dach: Jurten, die traditionellen Unterkünfte der Nomaden.
Auf dem Bahnsteig in Ulanbaatar wurden wir von einer Frau angesprochen, die uns ein Doppelzimmer für 10 Dollar anbot. Da wir noch keine Unterkunft hatten, es 6 Uhr morgens war und es regnete, konnten wir dem Angebot nicht widerstehen – und stiegen zusammen mit zwei Franzosen, die wir im Zug kennengelernt hatten, in ihr Auto. Es stellte sich raus, dass sie Englischlehrerin war, im 6. Monat schwanger, und ihr monatliches Einkommen von umgerechnet 150€ in den Sommerferien dadurch aufbesserte, dass sie ihre 3-Zimmer-Wohnung in einem Apartmentblock zum Gästehaus umfunktioniert hatte. Als wir ankamen, wurde uns das Schlafzimmer angeboten, die beiden Franzosen (die übrigens beide Nicholas heißen) kamen im zum Schlafsaal umfunktionierten Wohnzimmer unter (hier standen 3 Stockbetten). Bogi, unsere Gastgeberin, machte uns zum Frühstück Spiegeleier und mongolischen Milchtee, und verbreitete von Anfang an eine unglaubliche Atmosphäre der Gastfreundschaft. Sie erzählte uns, dass sie in einer Jurte in einer Nomadenfamilie aufgewachsen war und Ulanbaatar eigentlich nicht leiden kann. Sie träumt davon eines Tages ein richtiges Gästehaus aufzumachen – bis dahin schlägt sie sich als schlechbezahlte Lehrerin durch und fährt jeden Morgen um 6 (wenn der einzige tägliche Zug aus Russland ankommt) zum Bahnhof um Reisende zu finden die bei ihr übernachten wollen.
Für uns war es ein Glückstreffer – so hatten wir die Chance einen Einblick in das echte Leben in der Mongolei zu bekommen.
Unser erster Ausflug an diesem Morgen in Ulanbaatar führte uns zu Gandan Khiid, dem größten buddistischen Kloster der Mongolei. Verzierte Tempelgebäude, eine unglaublich große vergoldete Buddhastatue (26m hoch!), Gebetsmühlen (ja die gibt’s wirklich!) und herumeilende Mönche in orange-roten Roben ließen uns begreifen, dass wir nun in Asien sind – dass wir tatsächlich auf dem Landweg bis hierher gekommen sind fühlte sich schon nach einem kleinen Meilenstein an. Die Mönche hielten gerade ihre morgendliche Gebetszeremonie ab, und wir konnten uns an der Seite in den Tempel setzen und das Ganze miterleben. Der murmelnde Singsang, das Trommelschlagen, Pfeifen auf Hörnern und die Weihrauchschwaden waren irgendwie wie ein Willkommenskonzert für uns in Asien.
Wir sind gespannt auf diesen neuen Abschnitt unserer Reise!