Das schönste Stück der Transsib wären die letzten 300km nach Peking, durch beeindruckendes Gebirge sowie entlang und durch die Chinesische Mauer, hieß es. Wegen ausgebuchter Direktzüge hatten wir extra Zwischenstop in Jining gemacht um tagsüber und mit dem Zug den besten Blick zu haben.
Weiss war allerdings die dominierende Farbe beim Blick aus dem Zugfenster gewesen (die Diskussion, ob Nebel oder Hauptstadtsmog sollte uns noch mehrere Tage begleiten). Die Blicke aus dem Zug auf den Jahrtausende alten chinesischen Schutzwall gegen mongolische Angriffe aus dem Norden waren dennoch beeindruckend. Mystisch tauchten die massiven Mauern und die auf dominanten Höhen errichteten Wachtürmen im Dunst auf. Die gewagte Linienführung durch die steile Berglandschaft mit ihren vielen engen Tälern war beeindruckend, und wir wollten unbedingt noch direkt ran an die Mauer. Auf gute Empfehlung hatten wir uns vorgenommen, die weniger bekannte Route von Jinshaling nach Simatai auf der Mauer entlang zu wandern; und durch den Haupttouristenort Badaling waren wir ja im Zug gefahren.
Ein Bus brachte uns von Peking aus etwa die halbe Strecke in die gewünschte Richtung, den Rest wollten wir per Taxi machen. An der Haltestelle tummelten sich auch schon mehrere Taxifahrer ohne Lizenz. Da der Preis (ca 30€) uns viel zu hoch war, fragten wir andere Fahrer und spielten auf Zeit. Die wollten uns erstaunlicherweise aber nicht mitnehmen: Man gab uns zu verstehen, dass die Fahrer untereinander eine Reihenfolge (und sicher auch einen Preis) abgesprochen hatten, in der sie die Touristen ‚bedienten‘ und wir sollten mit unserem Fahrer gehen. Als mit dem nächsten Bus zwei weitere Touristen ankamen wurde es heiter. Wir wollten zu viert fahren um Geld zu sparen, aber keiner der Fahrer wollte uns alle vier mitnehmen. Als der andere Fahrer den „Pakt“ brach und uns ein Angebot für vier Leute machte, packte uns unser Fahrer am Arm und wollte im wahrsten Sinne des Wortes mit aller Kraft verhindern, dass wir zusammen beim Fahrer der Belgier einstiegen. Als er panisch zu schreien begann, mit den Armen ziellos aber extrem agressiv in unsere Richtung schlug, aber keiner der chinesischen Passanten Anstalten machte zu helfen, flüchteten wir zu seinem Kontrahenten ins Auto und waren froh einen weniger jähzornigen Chinesen gefunden zu haben. Nicht mal in Russland, wo wir aufgrund mancher Geschichten von polnischen und lettisch-russischen Freunden Gewalttätigkeit erwartet hatten, waren uns solch agresssive Menschen begegnet. Aber bei manchen Chinesen scheint die Hemmschwelle Leute anzubrüllen und aggressiv zu werden etwas niedriger zu liegen. Auch am Fahrkartenschalter in Peking war uns am Tag danach noch so jemand begegnet, der in allen Tonhöhen, die seine Stimmbänder hergaben, die Beamtin anbrüllte und dabei heftig gegen das Schalterglas schlug. Die Aufklärungsvideos in der U-Bahn, die mit unterhaltsamen Comics erklären man soll nicht auf die Ticketautomaten eintreten, scheinen ihre Bewandnis zu haben. Die Mehrheit der Chinesen haben wir dennoch als extrem freundlich erlebt.
Die Mauer jedenfalls war wieder im Nebel und das gesamte Tal nach Simatai wegen einer Großbaustelle geschlossen. Wir mussten uns also mit einer kleineren Tour von Jinshaling bis zur Autobahn zufriedengeben, wo uns der Fahrer freundlicherweise abholte, aber dafür hatten wir die Mauer fast komplett für uns alleine. Wie steil die Mauer wirklich hoch und runter geht, haben wir vorher auf Fotos nicht wirklich verstanden, umso mehr beeindruckt waren wir, als wir auf allen Vieren die hohen Stufen hochkletterten, das letzte Hemd in Schweiss getränkt. Die Mauer zieht sich im Slalom über die steilsten Hügel und wird von den renovierten Stellen nahe der ‚Seilbahn‘ aus, in Richtung Simatai immer echter bis zu einem verwittert-baufälligen Zustand. Auf den Fotos versinkt die Mauer nach wenigen hundert Metern im Nebel, aber wir wissen jetzt wie’s dahinter weitergeht. Wie weit mich die Salomon-Schuhe aus dem Familien-Schuhhaus in Ludwigsburg bereits getragen haben ;-)