Nach einer 25stündigen Zugfahrt auf harten Sitzen (die Chinesen hatten mal wieder alle Schlafwagen seit Wochen komplett ausgebucht) von Xining nach Chengdu kamen wir übermüdet in Sichuans Hauptstadt an. Zum Glück hatten wir uns schon vorher ein schönes Hostel reserviert, und so konnten wir direkt ins Bett fallen. Das Hostel, gegründet von zwei Travellern, entpuppte sich als eine der besten Backpacker-Unterkünfte der Reise. Neben einem superschönen japanischen Garten im Innenhof und jeder Menge gemütlicher Ecken zum Lesen und Chillen gabs sogar eine riesige kostenlose DVD-Bibliothek. Mit dem Film „Der letzte Kaiser“ machten wirs uns erstmal in unserem Zimmer gemütlich und sahen gespannt zu wie es damals wohl in der verbotenen Stadt zuging.
Insgesamt standen die Zeichen für uns in Chengdu auf Ausruhen und die weiteren Ziele auf unserer Reise grob zu planen. Trotzdem gab es einige erwähnenswerte Erlebnisse.
Eines davon war eine Fahrradtour durch Chengdu: Sie führte uns durch belebte Märkte, auf denen von Pilzgeflechten über Riesenkröten zu Schlangen alles verkauft wurde (als Lebensmittel wohlgemerkt), durch den Volkspark in dem sich die Tai Chi-praktizierenden Chinesen in der Lautstärke ihrer Musik gegenseitig übertrumpften, und durch eine Strasse in der man Haustiere kaufen kann. Ein Geschäft mit Aquarien, Wellensittichen, Hunden, Katzen und Kaninchen reiht sich hier ans andere (mit nicht immer ganz artgerechter Haltung). Auch fluoreszente Frösche, Einsiedlerkrebse und jede Menge Schildkröten waren im Angebot.
Sichuan ist die einzige Provinz in China (und daher der einzige Ort weltweit) in der noch Pandabären in freier Wildbahn leben. Da sich diese Riesen-Kuscheltiere ausschließlich von massenhaft Bambus ernähren (bis zu 40kg pro Tag), wird ihr Lebensraum immer weiter zerstört. Durch die immer dichtere Besiedlung in China gibt es kaum mehr zusammenhängende große Bambuswälder. Um den Panda vor dem Aussterben zu bewahren und die Tiere zeigen zu können, wurde in Chengdu eine Forschungs- und Zuchtstation für Pandas aufgebaut. In diesem Park leben heute über 60 Pandas und werden auch erfolgreich nachgezüchtet. Man kommt sehr nahe an die Pandas heran und kann sie beobachten, wie sie Bambusstauden zerkauen, auf Bäume klettern oder einfach nur in Hängematten schlafen (wirklich wie die Personifizierung eines Kuscheltiers). Aber der eigentliche Zweck – die Pandas wieder auszuwildern und ihr Überleben in der Wildnis zu sichern – scheint fraglich umgesetzt. Der schön angelegte Park scheint inzwischen mehr Touristenattraktion und ‚Zoo‘ als Auswilderungsprojekt. Die Wissenschaftler der Anlage brüsten sich damit, neue Methoden der künstlichen Befruchtung erforscht zu haben, da Pandas sich in Gefangenschaft nicht vermehren. Reservate und Schutzgebiete, die den letzten natürlichen Lebensraum der Pandas schützen, wären da sinnvoller. Aber großflächige Naturschutzgebiete haben im modernen China mit rasanter Industrialisierung und Bauboom offenbar keinen Platz.