Überall in Thailand, selbst auf den Urlaubsinseln im Süden, fallen einem die kleinen Häuschen auf, die auf einem Podest stehen. Oft im Garten von Wohnhäusern, in Bangkok auch neben großen Nobelhotels oder Shoppingmalls, an Straßenecken oder Stränden. Und immer sind Blumengirlanden drum gewickelt, und es stehen frische Portionen Essen, Früchte oder auch zehn Flaschen Fanta davor, offen und mit Strohhalm drin. Es war klar, dass die Einheimischen hier irgendwelchen Göttern huldigen, aber was es genau damit auf sich hat blieb mir zunächst ein Rätsel. Bis wir in den Norden Thailands nach Chiang Mai kamen. Die zweitgrößte Stadt des Landes liegt in den Ausläufern der Himalayas, und obwohl recht touristisch hat die Altstadt trotzdem ein sehr gemütliches und authentisches Flair. In und um Chiang Mai gibt es über 30 Tempel, Wat auf Thai, von denen viele aktive buddhistische Orden beherbergen. Mönche in ihren knallorangenen Roben, barfuss und kahlgeschoren, gehören hier zum Strassenbild. Wir kamen frühmorgens mit einem Übernachtbus aus Bangkok an, und als wir zu Sonnenaufgang durch die Stadt liefen, kamen uns reihenweise Mönche entgegen. Sie alle waren auf ihrer allmorgendlichen Runde um Almosen einzusammeln. Jeder hielt eine silberne Schüssel, in denen sie die Essensspenden entgegennehmen und aufbewahren. Leute knieten am Gehweg mit lauter Essenstütchen, warteten bis die Mönche vorbeikamen, und wurden dann im Gegenzug für die Essenspende gesegnet. Es war eine stille und faszinierende Prozession.
In einigen der Tempel gibt es neben beeindruckenden riesigen Buddhastatuen und plastifizierten toten Mönchen die Gelegenheit, sich mit den Mönchen zu unterhalten. Sie wollen ihr Englisch üben und sich mitteilen, und so sitzen sie im Schatten von Palmen im Tempelgarten und laden in entspannter Atmosphäre zum Austausch ein. Wir kamen mit Don ins Gespräch. Er ist 22, seit 10 Jahren Mönch, spricht fliessend Englisch, und beantwortete mir all die Fragen, die mir schon länger unter den Nägeln brannten. Was bringt einen 12jährigen dazu Mönch werden zu wollen? Die Antwort ist wesentlich weltlicher als ich gedacht hatte. In den Klöstern gibt es gute Ausbildung, und Mönche können in ganz Thailand kostenlos an die Universität gehen. Allerdings können sie nur bestimmte geisteswissenschaftliche Fächer studieren. Die Ausbildung war Don sehr wichtig – sie mache die Menschen aus verschiedenen sozialen Verhältnissen ebenbürtig. Manche treten nach ihrer Ausbildung wieder aus dem Orden aus, viele bleiben. Wie viel er meditiert? Nur so 15min am Tag, lacht er. Die meiste Zeit verbringt er mit studieren. Solange man Student ist, sind einem ein paar persönliche Besitztümer erlaubt, erzählt er. Ein Handy, um seine Familie zu kontaktieren, und ein Laptop fürs Studium. Am Ende unseres Gesprächs frage ich ihn nach dem Sinn der Fanta-Opfer, und ob es nicht mehr im buddhistischen Sinne wäre das Essen Bettlern zu spenden statt Gottheiten auf deren Altar es verdirbt. Er seufzt, scheint meinen Punkt zu verstehen, und erklärt uns dass Buddhismus in Thailand stark vom Hinduismus beeinflusst ist. Im reinen Buddhismus gehe es nur darum seinen eigenen Geist zu kontrollieren. Meditation und Studium der buddhistischen Lehre seinen der Schlüssel. Er beschrieb das jedoch als ‚bittere Medizin‘, und dass sich der thailändische Buddhismus die Sache insofern versüßt als dass es hinduistische Götterbilder und Geister gibt, denen man direkt opfern kann und die einem helfen, wenn man fest daran glaubt. Die kleinen Häuschen überall sind Behausungen für Ahnengeister, damit sie zur Ruhe kommen und nicht in der Wohnung, Hotel oder der Shopping Mall rumspuken. Jeden Morgen werden die Geister mit den Opfergaben sozusagen ruhiggestellt.
Das Gespräch mit Don dem Mönch war wirklich höchst aufschlussreich. Wir bekamen keine Dogmen mitgeteilt, sondern seine persönliche Meinung, und es gab uns einen Eindruck wie liberal und offen Thailands Klöster sind.
Mobil durch einen ausgeliehenen Roller erkundeten wir einige Tempel in der Umgebung, und die Eindrücke hätten nicht unterschiedlicher sein können. Doi Suthep, ein Tempel hoch in den Bergen, scheint am Sonntag ein beliebtes Ausflusgsziel für die Thai. Sie kommen in Scharen, kaufen Blumen und Weihrauchstäbchen, mit denen sie dann betend die Pagode umrunden. Dann lichtet man sich gegenseitig mit der Spiegelreflexkamera ab, wie man die Blumen am Buddha-Altar niederlegt, und das Glück für die nächste Woche scheint gesichert. Witzigerweise laufen Bedienstete des Tempels herum und sammeln die sich häufenden Blumen in regelmäßigen Abständen wieder ein. Ich verfolgte einen davon, und prompt bestätigte sich mein Verdacht: Er brachte die Blumen wieder zurück zum Opfergabenshop am Eingang, wo sie erneut den Sonntagspilgern verkauft wurden. Außer mir schien das keiner komisch zu finden. Vielleicht weil sie das alles als Spende an den Tempel sahen, hatte man hier doch an jeder Ecke die Möglichkeit Geld für verschiedenste Zwecke zu spenden. Für die Spenden gab es Segnungen und heilige Baumwollfäden. Der Obermönch gab mir zu verstehen mich ebenfalls zu setzen, und schon regnete es Weihwasser und Segenssprüche in Thai auf mich und die Gruppe Thais herab. Am Ende sprenkelte der Mönch nochmal extra viel Wasser in meine Richtung und rief: Good luck to you! Und ich bekam ebenfalls einen der Fäden ums Handgelenk gebunden. Wenn das nichts hilft weiss ich auch nicht.
Meditative Ruhe statt Jahrmarktatmosphäre herrschte hingegen im Waldtempel Wat U Mong. An den Bäumen waren buddhistische Weisheiten auf Tafeln angebracht, Mönche kehrten im Abendlicht das Laub zusammen, und einer von ihnen meditierte vor einer alten Steinpagode mit ipod-Kopfhörern im Ohr.
Willkommen zum thailändischen Buddhismus. Wo das Glück am Baumwoll- statt am seidenen Faden hängt, die Ordensmitglieder Apple-Produkte besitzen, und die Geister Fanta trinken.