Auf den Inseln im Süden Thailands vergingen die Tage wie im Flug, und ehe wir uns versahen, war unser 15-Tage-Visum abgelaufen. Die nächstgelegene Grenze war die zu Myanmar, also fuhren wir dorthin für einen sogenannten Visa-Run, sprich kurz ausreisen und wieder einreisen, um einen neuen Visumsstempel zu bekommen. Unser Gepäck liessen wir in Khao Lak, von wo wir in ein paar Tagen aus Tauchen gehen wollten, und machten uns nur mit einem kleinen Rucksack auf nach Myanmar: Zuerst mit dem Bus einige Stunden bis in die thailändische Grenzstadt Ranong. Mehrfach passierten wir auf dieser Strecke Checkpoints, und bewaffnete Soldaten der thailändischen Armee schritten durch den Bus und kontrollierten scheinbar zufällig Pässe. Von uns zwei Ausländern in der letzten Reihe wollte jedoch niemand was. In Ranong am Pier holten wir uns den Ausreisestempel von den Thai, und stiegen in eines der traditionellen Longtail-Boote, dass wir schon von den ganzen Inseln kannten. Mit dem üblichen ohrenbetäubenden Lärm, den die billigen Rasenmähermotoren dieser Boote produzieren, überquerten wir das riesige Flussdelta. Unterwegs kamen wir an mehren Flussinselchen vorbei, auf denen jeweils ein morsches Stelzenhaus stand, in dem wahlweise der thailändische Zoll oder die burmesische Einwanderungsbehörde untergebracht sind. An jedem Häuschen hielt unser Kapitän an, kletterte mit unseren Pässen kurz in das Stelzenhaus, und weiter ging die Reise. Die goldenen Stupas, die überall auf der birmesischen Seite auf den Hügeln standen, wurden immer größer, und schließlich erreichte das Boot den improvisierten Hafen von Kaw Thaung. Nun mussten wir uns noch den offiziellen Einreisestempel holen. Der freundliche aber strenge Beamte teilt uns mit, dass wir eine Kopie von unserem Pass brauchen. Also erstmal los zu einem Copyshop, dann zurück zum Einwanderungsmenschen. Jetzt ist er zufrieden, kassiert die 10 US Dollar ab, die man in unversehrten und nicht gefalteten Dollarscheinen als Einreisegebühr bezahlen muss, und nimmt uns unsere Pässe ab. Wie jetzt, frage ich entgeistert. Wir sollen unsere Pässe hierlassen? Das würde immer so gemacht, und wir könnten sie wieder abholen wenn wir ausreisen, ist seine schlichte Antwort, die weitere Diskussion verbietet, und die Pässe verschwinden in seinem verstaubten Holzschreibtisch. Davor wurden sie allerdings hochmodern abgescannt und unsere Daten in ein kleines Heftchen gedruckt, dass wir statt der Pässe ausgehändigt bekommen. Darin steht dass wir uns nicht weiter als 5km von der Grenze entfernen dürfen. Also gut, bewaffnet mit unserer Einreiseerlaubnis und in der guten Hoffnung unsere Pässe morgen wiederzusehen, treten wir aus dem Schuppen der Grenzer und ein nach Myanmar. Wir haben beschlossen wenigstens eine Nacht hierzubleiben, um den 5km Umkreis, der uns erlaubt ist, zu erkunden, anstatt gleich wieder kehrtzumachen Richtung Thailand.
Das erste was auffällt, ist das es in diesem Fischerort im Grunde keine Autos gibt. Der Verkehr besteht nur aus Motor- oder Fahrrädern. An jeder Ecke sitzen oder stehen uniformierte Militärs oder Polizisten, was wahrscheinlich an der Grenznähe liegt. Trotzdem hatte ich anfänglich ein seltsames Gefühl, beobachtet zu werden, und traute mich kaum ein Foto von irgendetwas zu machen. Die Unterkunftssuche gestaltete sich extrem einfach. Es gibt nur drei Hotels in der Stadt in dem Ausländer übernachten dürfen. Wir wählten das günstigste der drei und bekamen dafür ein schäbiges Zimmer, das uns an manche Unterkunft in Russland erinnerte. Der Inhaber klopfte noch dreimal an die Tür, jedesmal mit einem anderen Formular das wir unterschreiben mussten, Kopien von unseren Einreiseheftchen wurden gemacht, dann war endlich das Ende der bürokratischen Fahnenstange erreicht.
Auf dem Weg durch Kaw Thaung trafen wir auf extrem freundliche und offene Menschen, die zwar meist nicht viel Englisch konnten, aber man wurde überall angelächelt und interessiert nach unserer Herkunft gefragt. Es verirren sich wohl nicht viele Touristen hierher, die meisten kommen, holen sich Ein- und Ausreisestempel gleichzeitig im Grenzhaus am Hafen und nehmen das gleiche Boot zurück. Die Häuser in den Wohngegenden waren aus Holz, standen auf Stelzen (wohl gegen das Ungeziefer, das wir im Halbdunkel überall rumspringen sahen) und hatten offene Fenster und Flügeltüren. Als wir am Abend durch die Strassen und Gassen schlenderten, waren die innen beleuchteten Häuser wie offene Puppenhäuser, in denen wir das dörfliche Leben der Birmanen beobachten konnten. Auch wenn das Leben hier sehr einfach schien, fiel auf, dass fast in jedem Haus ein Fernseher lief, vor dem immer ein Teil der Großfamilie gebannt saß.
Nachdem wir erfolgreich ein paar thailändische Baht gegen birmesische Kyat auf dem Schwarzmarkt getauscht hatten (25,8 Kyat für einen Baht), reichten uns umgerechnet ein paar Euro zu zweit für unsere zwei Tage in Kaw Thaung, so billig war Essen und Trinken. Man darf nur nicht den Fehler machen und das Geld bei der Bank umtauschen (Geldautomaten gibt es sowieso keine), denn der offizielle Umrechnungskurs ist um ein hundertfaches niedriger: 0,21 Kyat für einen Baht. Auf der Strasse zahlt man aber Schwarzmarktpreise, also braucht man auch Geld zum Schwarzmarktkurs, sonst wird man arm. Eine der vielen Kuriositäten in Myanmar.
Abends fanden wir wir uns in einer der wenigen Bars wieder, um noch ein Myanmar Beer zu trinken. Auch das für ein paar Cent erhältlich. Das spektakuläre waren aber nicht die Getränkepreise, sondern die Unterhaltung, die uns geboten wurde. Das Ambiente war das einer Schlachthalle, mit hellgrünen Fliesen an Wand und Boden, und vorne gab es eine Bühne, auf der minderjährige Mädchen begleitet von einem Keyboardspieler Songs zum Besten gaben. Wir kamen uns vor wir in einer Vorrunde zu ‚Myanmar sucht den Superstar‘.
Die Mächen standen stocksteif auf der Bühne und sangen recht schräg, doch den anderen Besuchern schien es zu gefallen, genauso wie die Tatsache, dass wir auch da waren. Die Tischnachbarn prosteten uns alle paar Minuten begeistert zu und kamen schliesslich an unseren Tisch, eine vernünftige Unterhaltung scheiterte jedoch leider an der Tatsache, dass wir keine gemeinsame Sprache hatten und vielleicht auch daran, dass die Männer vom Nebentisch offensichtlich schon mehr als ein Bier getrunken hatten.
Am nächsten Morgen besuchten wir einen der goldenen Tempel auf einer Bergkuppe über der Stadt, schauten Mönchen bei ihrem allmorgendlichen Einsammeln von Almosen zu, probierten uns durch das Menü eines kleinen Straßenrestaurants und wunderten uns über die hellgelbe Farbe, die so viele der Leute, vor allem Frauen und Kinder, hier im Gesicht tragen. Manchmal sah es aus wie schlechtverschmierte Creme, manchmal aber auch eher wie ein gezeichnetes Muster. Als ich einige Leute ansprach und versuchte nach der Bedeutung dieser Gesichtsbemalung zu fragen, bekam ich verschiedene Antworten – und wie immer war wohl ziemlich viel ‚lost in translation‘. Von den einen verstand ich, dass es wohl eine Art gutes Omen sein soll, eine andere Gruppe von Männern erklärte mir mit pantomimischen Gesten, dass es gegen die Sonne sein soll. Zurück in Thailand gab mir das allwissende Internet schließlich Aufschluß: es handelt sich um Thanaka, eine Paste die aus zermörserter Baumrinde hergestellt wird, deren Verwendung in Myanmar jahrtausendealte Tradition hat und tatsächlich als Sonnenschutz aber auch zu kosmetischen Zwecken eingesetzt wird.
Um viele Eindrücke reicher holten wir nachmittags unsere Pässe wieder ab, fuhren mit dem Boot zurück nach Thailand und bekamen dort einen neuen Stempel. Schade, dass wir es auf dieser Reise vermutlich nicht länger nach Myanmar schaffen werden – dieser Kurzausflug hat Lust auf mehr gemacht. Aber wie wir immer wieder feststellen, kann man selbst auf einer so langen Reise nur einen Bruchteil dieser weiten Welt sehen.
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