„Und was machen sie beruflich?“ frage ich. „Ich bin Missionar“. Die unerwartete Antwort lässt mich für einen Moment stutzen. Missionar? Kommen denn noch immer Leute nach Afrika um hier arme Heidenkinder auf den rechten Weg zu bringen? Dabei scheint Kurt, so heisst der amerikanische Missionar, recht modern, und erzählt uns auch gleich von all den Projekten, die er weltweit betreut. Meine anfängliche Befremdung wandelt sich schnell in Staunen. Kurt wirkt eher wie ein Projektmanager, und die beachtlichen Projekte, von denen viele auf Hilfe zur Selbsthilfe basieren, werden eben mit Kirchengeldern finanziert.
In Uganda ist er mit einer Gruppe von Leuten aus Michigan unterwegs, alles Freiwillige verschiedensten Alters aus einigen Kirchengemeinden, die gerade zwei Wochen in einem Dorf namens Muko gearbeitet haben, dass die amerikanische Gemeinde seit Jahren unterstützt und entwickelt. Gerade bauen sie an einer Schule, man hat schon einen Krankenwagen gestiftet, genauso wie einen Kühlschrank für die kleine Klinik dort, in dem nun Impfstoffe und andere Medikamente vernünftig gelagert werden können. Als wir die Gruppe das erste Mal in unserem Gästehaus in Kampala trafen, vielen sie uns vor allem durch stapelweise handgeflochtener Körbe auf. Wie sich rausstellte, stellen die Frauen in Muko diese Körbe her, die Amerikaner nehmen sie kofferweise mit zurück nach Michigan und verkaufen sie dort auf Märkten, Kirchenfesten etc, und der beachtliche Erlös geht zurück ins Dorf. So entstehen Arbeitsplätze in einer von Arbeitslosigkeit gezeichneten ländlichen Gegend, und Menschen bekommen Alternativen zur Landwirtschaft, die oft gerade noch zum ueberleben reicht. Eines der Probleme ist, dass die Ländereien immer weiter vererbt und zwischen den traditionell vielen Kindern aufgeteilt werden. Dadurch werden die Felder, die jeder Bauernfamilie zur Verfügung stehen, immer kleiner. Einen ausreichenden Lebensunterhalt damit zu verdienen wird so immer schwieriger. Mit der traditionellen Korbflechterei und dem amerikanischen Markt, den die Kirchengemeinde für Muko erschließen will, könnte eine echte Alternative entstehen. Die Freiwilligen erzählten uns von Verhandlungen mit einigen Fluglinien, die eventuell den Transport der Körbe sponsern sollen. Der amerikanische Geschäftssinn, Pragmatismus und der Enthusiamus, den die Gruppe ausstrahlte, waren beeindruckend.
Nach getaner Arbeit im abgelegenen Dorf Muko hatte die Gruppe für ihren letzten Tag in Uganda einen Ausflug zum Victoriasee und der Nilquelle geplant, und lud uns spontan ein mitzukommen. Auch wenn die Nilquelle selbst nicht sonderlich beeindruckend war – die früher berühmten Stromschnellen am Ausfluss des Nils aus dem Viktoriasee sind durch einen kürzlich eröffneten Staudamm überflutet worden – so war es trotzdem ein sehr entspannter Tag in äußerst netter und interessanter Gesellschaft. Zurück im Gästehaus in Kampala wurden wir nach einem opulenten Abendessen von der Missionarsgruppe zum Singen verpflichtet. Eine der amerikanischen Freiwillen war Musiklehrerin, und brachte einer ugandischen Lehrerin, Gracious, Gospellieder mit Glockenspielbegleitung bei. Wir alle waren also Versuchskaninchen. Jeder bekam zwei nummerierte Glocken, und es wurden grosse ‚Notenblätter‘ aufgehängt, auf denen die Akkorde unter den Liedtexten standen. Verschiedene Glockenkombinationen formten verschiedene Akkorde – der pädagogische Aspekt dabei – und man musste höllisch aufpassen wann mann dran war. Die Musiklehrerin spielte Geige zu unserem Glockenspiel, und wir alle versuchen neben unseren Akkorden auch noch zu singen. Es wurde genauso viel gelacht wie Musik gemacht, und auch wenn immer wieder irgendjemand falsch dazwischenspielte, war und klang alles sehr harmonisch und das gemeinsame Musizieren löste bei uns ein fast schon weihnachtliches Gefühl aus. Und so spielten wir bis spät in die Nacht, und Gracious schwang ihre Hüften in afrikanischer Manier zu ‚Kumbah-Yah, My Lord‘, gespielt von amerikanischen Missionaren und zwei deutschen Weltreisenden, die zufälligerweise zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.