Man nehme: zwei heiße geothermische Quellen, einen Strand, eine Schaufel, optional hundert Touristen. Der ‚Hot Water Beach‘ auf der wunderschönen Coromandel-Halbinsel bietet all das, auch wenn wir zwei Anläufe brauchten, um ihm sein Mysterium zu entlocken. Wir waren morgens am Strand, keine Menschenseele da und der Wasserpegel stieg mit jeder Welle – die Flut war im Anrollen. Offensichtlich hatten wir das Zeitfenster zum Spa-Bau knapp verpasst. In der traumhaft schönen Umgebung fiel es nicht schwer, sich anderweitig zu beschäftigen, und ehe wir uns versahen war der Tiefpunkt der nächsten Ebbe erreicht. Zeit sich mit einer kostenpflichtig ausgeliehenen Schaufel, oder als Schwabe mit einem gefundenden Holzstück als Grabwerkzeug zu bewaffnen, und sich in die Schlacht zu werfen.
Nirgends in Neuseeland haben wir so viele Touristen auf einem Fleck gesehen, aber was uns beim ersten Anblick eher abschreckte, entpuppte sich als äußerst unterhaltsame Angelegenheit. Sobald das Wasser sich weit genug zurückgezogen hat, fangen die Leute wie wild an zu graben, auf der Suche nach den beiden geothermischen Quellen, die sich irgendwo unterm Strand befinden. Deren heißes Wasser sickert bei Ebbe durch den Sand, und man kann sich (und anderen) eine Grube graben, die sich dann langsam aber sicher mit heißem Thermalwasser füllt. Ein selbstgebautes Spa ist der perfekte Ort zum Entspannen. Soweit die Theorie. In der Praxis funktioniert das ganze folgendermassen: Die meisten graben Gruben die sich nur mit kaltem Wasser füllen, da sie zu weit weg von der Quelle sind, deren Ort am Anfang keiner kennt. Sobald jemand auf eine der beiden heißen Quellen stösst, spricht sich das natürlich wie ein Lauffeuer herum und alle versuchen sich gegenseitig das Wasser abzugraben, bis am Ende ein paar grosse Pools um die Quelle herum entstehen. Diese sind nicht besonders effizient angelegt, weil man sich ja nicht abgesprochen hat, und jeder sein eigenes Süppchen kocht bzw Grube gräbt. So ist der eine Pool zu heiß, der andere bekommt nicht genug heisses Wasser, alle drängen sich um die Quelle, umgeben von all den aufgegebenen Tiefbauprojekten ringsum.
Das ist der Punkt an dem die Leute beschliessen, dass es vielleicht doch besser wäre wenn man kooperiert, und gemeinsam auf ein Ziel hinarbeitet: das wohltemperierte Spa. Aus dem anfänglichen Konkurrenzkampf wir letztlich ein geselliges Miteinander, jeder sitzt im Pool, freut sich, schaufelt den anderen heisses Wasser zu und hilft Dämme zu reparieren. Man leiht sich die Schaufeln aus, diskutiert über die Erweiterung des Spa-Beckens und springt ab und zu zur Abkühlung ins kalte Meer.
Und irgendwann kommt was kommen muss: die Flut. Vorbei ist der Zauber, und alle Spa-Becken verschwinden wieder in den Wellen, damit das Spiel bei der nächsten Ebbe von vorne losgehen kann.